Trump sieht sich vor der Herausforderung, von der Terrorbekämpfung in Afghanistan zur Aufstandsbekämpfung über zu gehen.
2017-08-26
(PDF wird zurzeit überarbeitet)
Seit November 2015 sehen sich die USA mit einer steigenden Anzahl Terroranschläge in Afghanistan konfrontiert, ausgeführt durch die Taliban, Al-Kaida und Vertretern des Islamischen Staats. Um die Sicherheitslage in Afghanistan zu verbessern wird Washington die Herausforderung annehmen müssen, die aktuelle Terrorismusbekämpfung (Counterterrorism, CT) zugunsten einer Aufstandsbekämpfung (Counterinsurgency, COIN), die sich auf die lokale Bevölkerung Afghanistans konzentriert, fallen zu lassen. Die Trump Administration sollte die ersten Schritte auf den militärischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ebenen vollziehen. Dazu wird Amerika eine funktionsfähige, vollständige und wirksame COIN Strategie entwerfen müssen. Die internationale Gemeinschaft sollte dabei ein eigenes Interesse haben, Washington bei diesem Wechsel mit Waffen, Kriegsführung und wirtschaftlichen Hilfen zu unterstützen.
Die als bedenklich einzustufende Sicherheitslage in Afghanistan wird noch schwieriger werden, das das Land nach den Verlusten des IS im Irak und Syrien an Bedeutung für diese Bewegungen gewinnt. In seiner historischen Ansprache vom 21. August 2017 über die Strategie für das kriegsversehrte Afghanistan erklärte Donald Trump, dass er alles unternehmen werde, um den Terrorismus zu eliminieren. Um dies zu erreichen werden die USA die Herausforderungen des Wechsels von der Terrorismusbekämpfung zugunsten einer Aufstandsbekämpfung annehmen müssen.
Terrorismusbekämpfung CT und Aufstandsbekämpfung COIN in Afghanistan: Von der Theorie zur Praxis
In vielen Artikeln über Terrorismus werden die Begriffe Terrorismusbekämpfung und Aufstandsbekämpfung gleichwertig verwendet, was deren tatsächliche Bedeutung nicht gerecht wird. Obwohl beide gleichermassen zur Bekämpfung von Terrorismus und Aufständen eingesetzt werden, basieren sie auf unterschiedlichen Theorien und setzen unterschiedliche Mittel.
Die Strategien der Terrorismusbekämpfung lauten Zerbrechen, Zurückdrängen und Besiegen von Organisationen, die sich dem militärischen Terror und dem Terror gegen die Sicherheit verschrieben haben. Solche Strategien beinhalten Drohnenangriffe, den Einsatz von Spezialtruppen, sowie eine Steigerung von Polizei- und Geheimdienst-Einsätzen.
Die Aufstandsbekämpfung COIN wird zum Mittel der Wahl, wenn erkannt wird, dass ein militärisches Vorgehen allein keine sinnvolle Lösung für einen gewaltsamen Konflikt sein kann. COIN ist eine umfassende politische, militärische und zivile Lösung für irreguläre, aufständische Kriege. Die Terrorismusbekämpfung wird dabei nicht weg gelassen, sondern ist vielmehr Teil einer COIN-Strategie. Dabei strebt die aufstandsniederschlagende Partei – meist die Regierung – nach der Unterstützung und Legitimierung durch das Volk, auch indem gute Regierungsarbeit und Sicherheit garantiert werden, nachdem der Aufstand niedergeschlagen wurde. Diese bevölkerungsorientierte Strategie beinhaltet unter anderem das Verbot von bevölkerungsunterstützten Netzwerken und ausländische Unterstützung der Aufständischen. Gleichzeitig werden die politische Teilnahme und die wirtschaftliche Situation der Zivilbevölkerung verbessert. Manche COIN-Strategien sehen auch bewusst Menschenrechtsverletzungen vor – diese dürfen hier nicht angewendet werden, da ansonsten die Legitimierung der Regierung nicht mehr gegeben wäre und keine Stabilität im Land erreicht würde.
Die aktuelle Strategie der amerikanischen Terrorismusbekämpfung zeigt mehrheitlich konventionelle Ansätze. Die USA wird sich auf offensive Militäraktionen unter einem Ausnahmezustand in bestimmten Regionen Afghanistans einstellen müssen. Die bisherigen Massnahmen der Terrorismusbekämpfung zeigten bisher bedingt Wirkung und haben die Ziele, die Terrororganisationen zu zerstören und Unterstützung in der afghanischen Bevölkerung für die Regierung aufzubauen, klar verfehlt. Zivilisten gerieten während Militäreinsätzen in Kreuzfeuer, was die Beziehungen zu den Stämmen verschlechterte. Selbst offensive Taktiken konnten die Jugend bisher nicht davon abhalten Dschihadistengruppen beizutreten, da diese bessere wirtschaftliche Möglichkeiten bieten. Militante Interpretationen des Islam gewinnen immer wieder den „Kampf um Herz und Geist“ und verleiten die lokale Jugend den Dschihadistengruppen beizutreten. Inoffizielle Schätzungen gehen davon aus, dass Amerika seit 2001 etwa 3'000 Sicherheitsspezialisten verloren hat, hinzu kommen zahlreiche nicht registrierte zivile Opfer. Diese Opferzahlen sind unhaltbar und machen den Wechsel zu einer COIN Strategie noch drängender.
Amerika sollte auf den militärischen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen die Basis für den Wechsel zu einer COIN-Strategie schaffen. Dazu sollten die USA die lokalen Stämme im Kampf gegen den Terrorismus involvieren, beispielsweise bei der Informationsbeschaffung und anderen militärischen Aktivitäten. In den nichtmilitärischen Bereichen sollte Amerika zuerst einen moderaten Islam unter den jungen Afghanen unterstützen, beispielweise indem die staatlichen afghanischen Religionseinrichtungen und internationale Islamische Schulen genutzt werden. Eine weitere Massnahme den Extremismus einzudämmen wäre das Einrichten eines Amerikanisch-Afghanischen Rates gegen Terror und Extremismus. Dieser Rat könnte die COIN-Politik durch das Entwerfen von Strategien, Mobilisieren von Ressourcen, Anpassen der bestehenden Gesetzgebung und dem Ausweiten von wirtschaftlichen Möglichkeiten in Regionen mit hohem Extremistenanteil unterstützen.
Die USA sollten langfristige Pläne zur Entwicklung von Afghanistan vorlegen, die als Ziele ein Investitions-Wachstum und bevölkerungsorientierte Projekte haben. Ein erster Schritt wäre eine Kompensation für die militärischen Eingriffe im Land. Zudem sollte das Militär eine breitere Unterstützung und Legitimation anstreben, indem es Aufbaueinsätze in den Konfliktgebieten durchführt.
Dementsprechend plädiert die Narco-Terrorism Alliance Deutschland dafür, dass Amerika die Richtung einer COIN-Strategie einschlägt, indem es die Herausforderung annimmt und diese Strategie festigt. Washington sollte eine COIN-Doktrin definieren, welche den Wechsel von der Terrorismusbekämpfung zu einem umfassenden, durchgängigen COIN-Einsatz ermöglicht. Amerika sollte einen zielgerichteten und kraftvollen Kampf gegen das Bollwerk der Terroristen führen, dabei gleichzeitig die Zivilbevölkerung schonen. Sollte Letzteres nicht priorisiert werden, könnte das Militär die lokale Bevölkerung verunsichern und die Trump Administration würde weltweit einen grossen Imageschaden erleiden. Demzufolge müssen geeignete Kampfmassnahmen gewählt werden, welche Kollateralschäden vermeiden, wie beispielsweise besonders akkurate Waffensysteme, welche nur die Terroristen treffen. Gleichzeitig müssen die Amerikaner darauf achten, die afghanische Souveränität und Regierung nicht zu verletzen, gerade wenn sie die lokalen Stämme in den Kampf gegen den Terrorismus einsetzen.
Auf der wirtschaftlichen Ebene sollten die Amerikaner ihre Investitionen mit Bedacht planen, um das Wohlergehen der afghanischen Bevölkerung verbessern zu können. Dazu müssen sie ihre Bemühungen sowohl in Richtung der kurzfristigen wirtschaftlichen Nöte, als auch der langfristigen wirtschaftlichen Ziele lenken.
Auf der politischen Ebene erscheint die Strategie von „Zuckerbrot und Peitsche“ gegenüber der afghanischen Bevölkerung sinnvoll. Autoritäre Vorgehensweisen, wie Ausnahmezustände, müssen jedoch angemessen angewendet werden, um die lokalen Stämme nicht von der Regierung in Kabul abspenstig zu machen.
Die internationale Gemeinschaft sollte ein vitales Interesse daran haben, die Trump Administration beim Wechseln von der Terrorismusbekämpfung zur Aufstandsbekämpfung COIN zu unterstützen. Dies könnte durch militärische Unterstützung und einer langfristigen wirtschaftlichen Hilfe, bei gleichzeitiger Förderung einer guten Regierungsarbeit und der politischen Mitwirkung der afghanischen Bevölkerung. Die Niederschlagung des Aufstandes in Afghanistan ist nicht nur für die 33 Millionen Einwohner von Afghanistan wünschenswert, sondern steht auch für die Abwendung des globalen Terrors.
Dieser Artikel ist ein analytisch erarbeiteter Kommentar.